Free X Antifas – Rede der Inhaftierten zur Kundgeung am 12.06. vor der StaWa Leipzig

Im folgenden eine Rede für die Kundgebung am 12.06.23, den unsere Genossen in der JVA geschrieben haben:

Liebe Genoss:innen, Liebe Freund:innen, Liebe Mitstreiter:innen, Liebe Zuhörer:innen,
wir grüßen euch herzlich aus der JVA Leipzig.

Seit vergangenen Samstag bzw. Sonntag sitzen wir hier als politische Gefangene in Untersuchungshaft. Wir alle wurden am Wochenende nach dem Urteil im sogenannten Antifa Ost Verfahren mit unterschiedlichen Vorwürfen festgenommen. Hinter uns liegt die erste gemeinsame Woche. Sie war geprägt vom Zurechtfinden hinter Gittern, vom Zusammenfinden zueinander, von Solidarität untereinander und von Solidarität von draußen. Vielen Dank für die große Demo am vergangenen Montag, vielen Dank für das nächtliche Feuerwerk. Momentan streiten wir hier drin nach wie vor für die Zusammenlegung in kleinen Gruppen. In Teilen waren wir hier erfolgreich. Zur gesundheitlichen Situation des Genossen habt ihr sicherlich schon einiges gelesen oder gehört. Er muss mehr noch als wir alle gemeinsam sofort freigelassen werden.

Das erste Juniwochenende 2023 hat nicht nur bei uns und in unserem Leben Spuren hinterlassen wir denken es war auch ein einschneidendes Ereignis für die Linke über die Grenzen dieses Bundeslandes hinweg. Wir waren Zeug:innen einer großflächigen Kriminalisierung von linken Protest und Widerstand. Wochenlang durch bürgerliche Medien vorbereitet wurden in diesen Tagen ganze Stadtteile durch die Polizei praktisch militärisch besetzt und Versammlungen pauschal verboten. Zwei Ereignisse stechen dabei besonders heraus: Die Massenkesselung von 1000 Menschen zum Teil 11 Stunden lang. Die Inhaftierung von zehn Aktivisten, von denen glücklicherweise mittlerweile schon Zwei wieder in Freiheit sind.

Kessel und Inhaftierung waren kein Zufall. Sie waren von vornherein Teil der staatlichen  Repression und Eskalationsstrategie. Es sollte und soll darum gehen Solidaritätsbewegung mit denen in Dresden verurteilten Antifaschist:innen zu durchleuchten, anzugreifen und zu delegitimieren. Umso wichtiger ist es, dass ihr heute hier seid. [Pause] Diese Kundgebung findet nicht ohne Grund vor der Leipziger Staatsanwaltschaft statt. Wir erleben zur Zeit in der Bundesrepublik eine Rechtsentwicklung als deren Teil wir die Angriffe vom ersten Juni Wochenende begreifen müssen. Diese Rechtsentwicklung ist nicht abstrakt, sie wird von verschiedenen Akteur:innen vorangetrieben, auf politischer, auf polizeilicher, auf geheimdienstlicher und eben auf juristischer Ebene. Die Leipziger Staatsanwaltschaft ist dafür der beste Beweis. Es war ihr erklärtes Ziel nach dem Wochenende eine Zahl X an Untersuchungshäftlingen vorweisen zu können. Selbst unter ihren Maßstäben, also denen des bürgerlichen Staates sind die Haftgründe zusammen konstruiert und offen politisch motiviert. Hier soll hart durchgegriffen werden, Gesetze und Vorschriften hin oder her. Das mag in diesem Staat legal sein, aber nur weil die Dinge legal sind, sind sie noch lange nicht richtig oder gerecht. Das wissen wir alle nur zu gut. Ins Bild passt da auch ein Haftrichter, der eigentlich Zivilrichter ist und den Ausführungen unserer Anwält:innen nicht zuhört. Wir wissen es nicht, aber der Verdacht liegt nahe, dass hier jemand sehr bewusst in eine Bereitschaftsposition gesetzt wurde, von dem klar war, das er alles, was von Seiten der politischen Staatsanwaltschaft vorgelegt wird mitschwingt.

Was ist gemeint, wenn wir in diesem Kontext von Rechtsentwicklung sprechen? Damit ist auch gemeint, dass die Handlungspielräume für linke, für progressive, für fortschrittliche Politik offensiv eingedämmt werden soll. Geht es nach dem medialen Mainstream und den Köpfen des SPD geführten Bundesinnenministeriums, scheint es kein größeres Problem zu geben, als engagierten Antifaschismus. Man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen. In einem Land mit dieser Geschichte, im Land des NSU, im Land von Hanau und Halle, im Land von Nordkreuz und AfD, in einem Land in über 650 Faschisten sich der Verhaftung entzogen haben. Wir sollten diese Angriffe auf staatlicher Seite sehr ernst nehmen und uns ihnen gemeinsam entgegenstellen. Die Frage ist nicht, wie wir unseren Antifaschismus leben, sondern das wir ihn leben. Alle gemeinsam auf unterschiedlichen Ebenen mit unterschiedlichen Mitteln, nur dann und nur dann, wenn wir in dieser Frage solidarisch zusammen stehen, haben wir die Chance den Angriffen von Rechts etwas entgegenzusetzen. Das gilt aber auch für die großflächige Kriminalisierung und die Angriffe auf die Versammlungsfreiheit hier in Leipzig. Die Besetzung Connewitzes, der Großkessel, unsere Inhaftierung, die mediale Hetze, die Versammlungsverbote. Das alles sind Fasseten ihrer Strategie, wir sollten sie als solche begreifen und uns genau deswegen in dieser Frage nicht trennen lassen, sondern gemeinsam und solidarisch zusammenstehen. Drinnen und draußen.

Wir versuchen unseren Teil dazu beizutragen mit unseren begrenzten Möglichkeiten hinter Gittern. Wir begegnen der Vereinzelung des Knastes mit Kollektivität und politischer Identität. Das ist nicht immer einfach und dennoch ist es das was uns Kraft gibt. Wir grüßen euch kämpferisch. Freiheit für alle politischen und sozialen Gegangenen. Mit Power durch die Mauer. Wir sind im Recht, wir werden siegen.

Unsere Zelle ist keine Zelle                                                                                                      Sie ist während des Einschluss ein Ort politischer Arbeit, unser Politbüro, sowie moralspendende Barrikade. Beim Aufschluss der Piste verwandelt sich unsere Zelle in ein soziales Zentrum, ein Treffpunkt welches Kollektivität und solidarisches Handeln greifbar macht. Welches die Macht hat, den Menschen um uns rum weg von Egoismus und bloßer Zweckgemeinschaft Tag für Tag immer näher zur wahren Gemeinschaftlichkeit zu bringen. Unsere Zelle ist eine Schule und wenn sie nun doch eine Zelle ist, so ist sie nun eben eine Zelle des Widerstands, eine Zelle der Hoffnung.

Politische Gefangene der JVA Leipzig im Juni 2023